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Royal muss vor Gericht aussagen Prinz Harry startet Feldzug gegen britische Boulevardpresse

Von Susanne Ebner | 05.06.2023, 18:06 Uhr

Paranoia und Depressionen – die jahrelange Verfolgung durch Reporter soll bei Prinz Harry schwerwiegende Folgen hinterlassen haben. Nun holt der Royal zum juristischen Gegenschlag vor Gericht aus. Das Risiko für ihn ist jedoch hoch.

Wird er kommen oder nicht? Vor dem „Rolls Building“ des Obersten Gerichts in London drängten sich am Montag zahlreiche Fotografen und Fernseh-Teams, über ihnen schwebte ein Hubschrauber. Die Bänke im Gerichtssaal waren voll besetzt, genauso wie ein eigens für Journalisten eingerichteter Raum im Gerichtsgebäude. Dann wurde klar: Prinz Harry wird wohl erst am Dienstag aussagen, und das, obwohl er schon in der Stadt ist. Dies sorgte auch bei Richter Justice Fancourt zumindest für Irritation.

Wird Gerichtsverfahren für Harry zur „Selbstmordmission“?

Es ist mehr als 130 Jahre her, dass ein Royal zuletzt vor einem Obersten Gericht aussagte. 1891 war Prinz Edward Zeuge in einem Prozess, bei dem es um Betrug beim Kartenspielen ging. Ein Umstand, der seine Mutter, Queen Victoria, höchst unangenehm war. Dass Prinz Harry nun vor dem britischen High Court aussagen wird, stößt erneut auf Unbehagen in der königlichen Familie. König Charles III. der dieser Tage außer Landes ist, sagte einmal zu seinem Sohn, seine Gerichtsverfahren seien eine „Selbstmordmission“.

Prinz Harry hingegen hat seit Jahren auf diesen Moment gewartet. Er will die britische Presse zur Verantwortung ziehen. In dem Verfahren, das im Mai eröffnet wurde, wirft er der britischen Zeitung „The Mirror“, dem „Sunday Mirror“ und dem Magazin „People“ vor, sich für Storys über ihn, in sein Telefon gehackt, Sprachnachrichten abgehört und ihn beschattet zu haben. Dies habe nicht nur seinen Beziehungen maßgeblich geschadet, sondern überdies bei ihm zu Paranoia und Depressionen geführt.

„Nichts war heilig“, sagte Harrys Anwalt David Sherborne, selbst ein Star, am Montag im Gerichtssaal, umringt von großen weißen Boxen mit Beweismaterial. Bei der „Mirror Group Newspapers“ (MGN) habe der Zweck die Mittel geheiligt. Es seien illegale Methoden angewendet worden, um „Aspekte hinzuzufügen“, die Artikel interessanter zu machen. Weil viele Artikel über Harry von Journalisten geschrieben wurden, denen in einem anderen Fall illegale Maßnahmen nachgewiesen wurden, könne gefolgert werden, dass sie diesmal nach dem gleichen Muster gearbeitet hätten, argumentierte er.

33 Klagen gegen Zeitungsverlag

Laut Sherborne war Harry gerade einmal elf Jahre alt, als die Medien begannen, ihn auszuspionieren. 1996 berichtete der Mirror über einen Besuch seiner Mutter Diana anlässlich seines Geburtstages in seiner Schule. Die Details zum Zeitpunkt, der Dauer und auch dazu, wie sich Diana damals gefühlt habe, seien „verräterische Anzeichen“ dafür, dass die Informationen rechtswidrig beschafft worden seien, argumentierte Sherborne. Insgesamt bezieht sich die Klage des Prinzen auf 33 von MGN veröffentlichte Artikel im Zeitraum von 1999 bis 2010.

Der Feldzug gegen „Mirror Group Newspapers“ (MGN) ist nur eine von mehreren Klagen, die der 38-Jährige gemeinsam mit anderen Prominenten angestrengt hat. In zwei weiteren Fällen, in welchen die Eigentümer von The Sun und Daily Mail involviert sind, laufen die Verfahren noch. Weil ein Gerichtsverfahren oft teuer und unvorhersehbar ist, sahen die meisten Royals und Prominenten bislang davon ab, eine Klage durchzufechten. Stattdessen ließen sie sich von den Medienhäusern auszahlen. Schätzungen zufolge zahlte Ruperts Murdochs „News Group Newspapers“ (NGN) Klägern umgerechnet etwa 1,4 Milliarden Euro und hielt sie so vom Zeugenstand fern.

„Niemals beschweren, niemals erklären“

Der Umgang der königlichen Familie gegenüber den Medien und Gerichten basierte jahrelang auf dem Mantra „niemals beschweren, niemals erklären“. Die Beziehungen zur Presse sollten gepflegt und Mitglieder der königlichen Familie von Gerichtsverhandlungen ferngehalten werden. Prinz Harry will sich nun jedoch den Anwälten stellen. Diese werden jedoch versuchen, „seinen Fall in Stücke zu reißen“, wie es hieß.

Die Sussexes, wie der offzielle Titel von Prinz Harry und Herzoghin Meghan lautet, hatten Großbritannien im Januar 2020 den Rücken gekehrt, um in Kalifornien gemeinsam mit ihren Kindern Archie und Lilibet ein neues Leben zu beginnen. Nachdem es wegen schwerwiegender Anschuldigungen ihrerseits gegen das Königshaus schon zuvor zu einem Bruch mit dem Palast gekommen war, nahmen sie im Dezember vergangenen Jahres überdies die mehrteilige Doku-Serie „Harry & Meghan“ auf.

Darin erzählten sie viel über sich, ihren Werdegang, wie sie sich trafen; wetterten jedoch auch gegen Mitglieder der königlichen Familie und die britischen Medien. Anfang dieses Jahres veröffentlichte Harry überdies seine Autobiografie „Spare“ (deutscher Titel: „Reserve“). Während Harry das Narrativ in seiner Biografie selbst gestalten konnte, wird dies im Gerichtssaal kaum möglich sein, ein hohes Risiko für den 38-Jährigen.

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