2021 landete Danger Dan mit „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ einen riesigen Hit. Seinen 40. Geburtstag hat er mit zwei Sonderkonzerten in Berlin gefeiert. Sein wahres Ich kennen trotz vieler intimer Texte aber nur eine Handvoll Menschen, wie der Musiker verrät.
Auf dem Kaffeebecher von Daniel Pongratz alias Danger Dan steht: „Beginne jeden Tag mit einem Lächeln.“ Eine ironische Botschaft – im gleichnamigen Song macht er sich über geistlose Kalendersprüche lustig. Sein Erfolgsalbum „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ hat er jetzt als Live-Album neu aufgelegt. Vor seinem Geburtstagskonzert hat sich der Aachener nochmal an einen Bildschirm gesetzt und uns von Berlin aus ein Interview gegeben.
Herr Pongratz, im Lied „Lauf davon“ singen Sie: ‚Hast du dir deinen Alltag, oder hat dich dein Alltag gemacht?‘. Wie ist das heute bei Ihnen selbst?
Das ist eine einwandfreie Frage (lacht). Ich habe ganz viel in meinem Leben nicht geplant. Dass ich jetzt überhaupt Pianist bin und ein Live-Album herausbringe, das war überhaupt nicht prognostizierbar. Es war immer ein großes Chaos um mich herum. So einen richtigen Alltag habe ich also nie gehabt, und in den letzten zwei Jahren hat sich ohnehin vieles verändert. Obwohl mir genau das passiert ist, wovon alle Musikerinnen und Musiker träumen, war das alles zu viel für mich. Das hätte man auf zehn Jahre aufteilen können.
Wie passt das zu Ihrer Faulheit, mit der Sie in vielen Texten kokettieren?
Gar nicht, das ist schrecklich. Ich muss jetzt voll viel arbeiten. Aber das Gute ist: Was ich tue, macht mir unendlich viel Spaß, sodass sich das manchmal nicht wie Arbeit anfühlt. Eigentlich ist das ein neoliberaler Albtraum (lacht). Aber es kamen auch neue Alltagsmomente dazu. Zum Beispiel, dass ich in der Öffentlichkeit jetzt öfter erkannt werde. Ich kann nicht mehr in die Sauna gehen oder mit dem Bus fahren. Manche Leute tun so, als ob sie telefonieren, aber machen heimlich Fotos – und beide Seiten schämen sich dann. Das habe ich mir anders ausgemalt.
Sie haben mal gesagt, man komme keinem Künstler auf die Schliche, nur, weil man seine Musik hört. Wie viel geben Sie von sich selbst preis?
Wenn ich ein Konzert spiele, bin ich sehr professionell. Da mache ich eine Show. Natürlich erzähle ich auch etwas von mir. Bei einem Auftritt in Hamburg hatte ich mal so einen heftigen Kater, dass es keinen Sinn gemacht hätte, das zu kaschieren. Aber natürlich ist Danger Dan eine Kunstfigur. Wenn man alle Interviews von mir und alle Lieder, die ich je geschrieben habe, addiert, dann zeichnet das das Bild eines Menschen, den es nicht gibt.
Trotzdem gehen Sie offen mit eigenen Problemen um. Etwa damit, dass Sie eine Therapie gemacht haben, nachdem sich Ihr Freund und Bandkollege Jakob Wich das Leben genommen hat.
Ja, nur bleibt da auch wieder nur hängen: Ach wie toll, wie reflektiert von ihm und so weiter. Aber gleichzeitig bin ich eben auch ein Dummkopf (lacht).
Sie wünschen sich also, dass Ihre Widersprüche wahrgenommen werden?
Ich übe gerade sehr, mich auf der Bühne nicht immer hinter Ironie zu verstecken. Ich habe Lust, mich auch gemeint zu fühlen, wenn es Applaus gibt. Das passt aber nicht in jeden Rahmen. Ich singe teilweise über unglaublich private Dinge und treffe jetzt immer Leute, die das alles über mich wissen. Ich weiß aber gar nichts über sie. Das macht es schwierig, Freundschaften zu schließen. Ich liebe die Geschichten anderer Leute viel mehr als meine eigenen. Das kann auch gefährlich werden. Ich glaube nicht, dass es Til Schweiger gut getan hat, seit Jahren für jeden Scheiß, den er erzählt, Applaus zu bekommen. Es braucht Menschen um einen herum, die einem auch mal sagen: Was du da erzählst, ist dumm. Zum Glück habe ich einen Freundeskreis, der nicht nur meine Heldengeschichten kennt.

Braucht es eine gewisse Reife, um das zu erkennen?
Wenn mir das, was mir jetzt gerade passiert, mit 20 widerfahren wäre, hätte ich damit glaube ich nicht so gut umgehen können.
Würden Sie an Ihrer alten Schule in Aachen, die Sie im Song “Ingloria Victoria“ so bitterböse ins Visier genommen haben, gerne mal auftreten?
Die Schüler hören da ja hoffentlich nicht nur Klaviermusik (lacht). Aber wenn sie Lust darauf hätten, müssten sie ja immer noch am Lehrerzimmer vorbei. Und da habe ich glaube ich nicht nur Fans. Das wäre also nicht nur meine Entscheidung.
Nach der Schulzeit hatten Sie teils kuriose Nebenjobs und sind zwischendurch zu mehreren Auslandsabenteuern aufgebrochen. Woher haben Sie den Mut genommen?
Ich war eigentlich nie besonders mutig, ich hatte nur schon so eine defekte Bildungsbiographie, dass es für mich nicht viel zu verlieren gab. Es ist etwas anderes, wenn man seine Ausbildung abbrechen muss, um ohne Plan für ein halbes Jahr nach Frankreich zu gehen. Da hatte ich sozusagen einen Vorteil.
Irgendwann haben Sie daraus eine Tugend gemacht und waren für das Goethe-Institut in Afrika und im Kaukasus. Was haben Sie dort gemacht?
Ich war mal als Musiker eines Puppentheaterspielers aus Neuseeland unterwegs – in Dschibuti oder Burundi, ich weiß es schon gar nicht mehr so genau. Und dann habe ich in Ostafrika Radioprojekte mit Studenten gemacht, weil ich behauptet habe, ich sei Radiojournalist. Dabei hatte ich mir eigentlich nur ein Radio-Handbuch gekauft. Es ging so weit, dass ich später Gastdozent für Radiojournalismus an der armenischen Universität in Jerewan wurde. Ich bin dann ungefähr zwei Jahre lang als angeblicher Radiospezialist durch Aserbaidschan, Armenien und Georgien gereist.
Können Sie gut lügen?
Nein, ich lüge nicht. Also ein, zwei Mal in meinem Leben musste ich eine Notlüge erzählen, aber das war in meiner Zeit als Parkwächter in Barcelona, das ist jetzt eine ganz andere Geschichte…
Erzählen Sie auf Partys immer die besten Anekdoten?
Nee, auf Partys saufe ich einfach nur (lacht).
Sie sind eigentlich Rapper bei der Antilopen Gang. Wollten Sie mit dem Klavieralbum bewusst neue Wege gehen?
Bewusste Entscheidungen gibt es bei mir leider selten. Ich nehme mir oft Dinge vor, aber dann kommt meistens etwas Anderes dabei heraus. Aber du kannst mit 40 halt nicht so tun, als ob du 20 wärst. Das funktioniert nicht.

Bei Ihnen kommt es also meistens anders, als man denkt?
Ja. Wir haben anfangs auch gedacht, wir machen vom Album „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ zuerst 500 Platten und testen aus, wie es ist, mit unserem eigenen Label Antilopen Geldwäsche so ein Liebhaberprojekt zu veröffentlichen. Am Ende mussten wir noch eine weitere Person einstellen, weil es uns total über den Kopf gewachsen ist.
Das Album stand 2021 wochenlang auf Platz 1 der Charts. Jetzt haben Sie die Platte sogar noch einmal als Live-Version neu herausgebracht.
Genau, aber bis das Realität werden konnte, musste ich mir einiges einfallen lassen. Manche Songs konnte ich überhaupt nicht live spielen. Bei „Ingloria Victoria“ hatte ich beim Einspielen den alten Rapper-Trick angewendet, einzelne Teile aufzunehmen, um zwischendurch Luft holen zu können. Das hat sich dann gerächt. Auf kleineren Bühnen hat es zuletzt zwar gut funktioniert, aber plötzlich hatte ich Auftritte in Opernhäusern und in der Elbphilharmonie. Die Akustik dort verzeiht dir keine Fehler.
Sind Sie mit dem Ergebnis dennoch zufrieden, oder sind Sie dafür zu perfektionistisch?
Ich glaube, da bleibe ich für immer unter meinen Ansprüchen. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass sich die Leute total darüber freuen, wenn man sich verspielt oder den Text vergisst. Man selber sitzt da und wird panisch, aber jemand aus dem Publikum ruft einem dann die Zeile zu und weiter geht’s. Das habe ich irgendwann einfach angenommen und gedacht: Vielleicht geht es gar nicht um mechanische Perfektion, sondern um die Zwischentöne.
...wird am 1. Juni 1983 als Sohn zweier Pädagogen in Aachen geboren. Er hat drei männliche Geschwister und verbringt fünf Jahre seiner Kindheit in Hessen, bevor die Familie zurück nach Aachen zieht. Seine Schulzeit ist turbulent, er wechselt zehnmal die Schule. Sein musikalisches Talent erkennen die Eltern früh. Pongratz spielt in mehreren Punk- und Funkbands, entdeckt aber auch den Hip-Hop für sich. Ohne Abitur beginnt er dank einer exzellent bestandenen Aufnahmeprüfung ein Studium der Musiktherapie in Maastricht, bricht dieses aber wieder ab, um sich der Reggae-Band “Jin Jin” anzuschließen. Mit dem “Cheer Up Trio” tourt er später durch die USA.
2008 macht ihn der Rap-Song “Sommerlüge” auf seiner ersten Solo-EP unter seinem Künstlernamen Danger Dan bekannt, weil er sich als erster deutscher Rapper mit der Shoah befasst. Parallel gründet er mit seinem Bruder Tobias und Koljah Podkowik die Hip-Hop-Gruppe “Antilopen Gang”. 2013 nimmt sich das Mitglied Jakob Wich alias “NMZS” das Leben.
2018 erscheint Pongratz’ erstes Solo-Album “Reflexionen aus dem beschönigten Leben”, das auf Platz 20 der Album-Charts landet. Am 26. März 2021 veröffentlicht er schließlich die Single “Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt”, die ihm den Durchbruch beschert. Das Musikvideo verzeichnet heute über elf Millionen Aufrufe (Stand: Mai 2023). Im Dezember 2021 belegt er als erster Künstler überhaupt zeitgleich die Plätze 1 bis 3 der radioeins-Jahrescharts. Pongratz ist Vater einer Tochter und lebt in Berlin.
Zwei ausverkaufte Konzerte in Ihrer Wahlheimat Berlin zu spielen, ist sicher schon eine Art Geschenk. Wünschen Sie sich noch etwas zum 40.?
Ich habe keine großen materiellen Wünsche, das ist ein bisschen ärgerlich. Dazu kommt, dass mein Bruder Tobias sehr modebewusst ist und sich ständig neue Klamotten kauft. Seine alten Sachen ziehe ich dann an und brauche sonst eigentlich nicht viel. Aber ich habe mir selbst ein Geschenk gemacht und mit einem befreundeten Tischler ein neues Konzertklavier gebaut. Im Lied „Tesafilm“ habe ich schon gesungen, dass ich auf ein Klavier spare. Das kann ich jetzt schon mal von der Liste streichen (lacht).
Wie viele rote Bomberjacken haben Sie eigentlich?
Ich besitze selber drei davon, weil man darin auf der Bühne unglaublich doll schwitzt. Aber insgesamt sind es inzwischen 35. Bei den Geburtstagsparty-
Konzerten habe ich erstmals nicht nur ein Streicherquartett auf der Bühne, sondern ein ganzes Orchester. Und die Musiker ziehen dann auch alle rote Bomberjacken an.
Werden Sie sich zum 50. wieder ein Lied an sich selbst schreiben wie in „Private Altersvorsorge“?
Ich habe an mich selbst appelliert, das nicht zu tun. Das würde wahrscheinlich ein richtig ekliges Schmalzlied werden. Ich hoffe, dass ich mich daran halte. Ich würde vielleicht lieber mal ein Buch schreiben. Aber bei mir kann man ja selten etwas ausschließen (lacht).