Ich werde einfach nicht schwanger – liegt es an meinem Gewicht? Wann sollte ich mir Hilfe suchen? Solche und weitere Fragen stellen sich viele Frauen und Paare, wenn es mit dem Kinderwunsch nicht klappt. Eine Reproduktionsexpertin klärt auf.
Was tun, wenn Sie nicht schwanger werden können? Die Reproduktionsmedizinerin Angela Assmann vom Zentrum für Kinderwunschbehandlung Osnabrück „Kinderwunsch 1 2 3“ erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, welche Rolle das Alter wirklich spielt, wie sehr sich unser Lebensstil auf die Fruchtbarkeit auswirkt und was Sie sonst noch zum Thema Kinderwunsch wissen sollten.
Frau Assmann, wie wirkt sich mein Lebensstil auf meine Fruchtbarkeit aus?
Der Lebensstil hat starke Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit. Das Rauchen beispielsweise beeinflusst die Fruchtbarkeit extrem. Wir wissen, dass Frauen, die rauchen, bis zu zehn Jahre eher in die Wechseljahre kommen. Dementsprechend lässt die Fruchtbarkeit viel früher nach. Beim Mann kann das Rauchen zu extremen Einschränkungen der Spermienqualität führen. Das trifft natürlich nicht jeden, aber bleibt ein großer Faktor.
Welche Faktoren spielen noch eine Rolle?
Übergewicht sowie Untergewicht können sich erheblich auswirken. Beispielsweise steigt das Risiko für eine Risikoschwangerschaft bei Übergewicht. Untergewicht kann zu dem Ausfallen der Regelblutung führen, wodurch es dann auch nicht mehr zum Eisprung kommt. Das Normalgewicht ist wirklich ideal, wenn es ums Thema Kinderwunsch geht.
Eisprung wird der Moment genannt, in dem eine Eizelle aus einem Eierstock freigesetzt und vom Eileiter aufgenommen wird. Der Eisprung erfolgt einmal in jedem Menstruationszyklus der Frau. Zu dieser Zeit ist die Frau fruchtbar.
Worauf sollen Frauen oder Paare achten, wenn sie versuchen, schwanger zu werden?
Paare sollten auf jeden Fall darauf achten, frühzeitig ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Dabei denke ich an das Alter. In der Praxis sehen wir, wie Paare immer wieder zu spät zu uns kommen.

Welche Rolle spielt das Alter denn überhaupt?
Das Alter spielt eine enorme Rolle. Wir werden zwar immer älter und bleiben auch länger gesund (auch wegen des medizinischen Fortschrittes), aber die Eierstöcke haben da evolutionsbedingt nicht mitgemacht. Die haben mit 40 einfach das Alter einer Frau mit 40. Das Problem ist, dass immer mehr Embryonen entstehen, die nicht gesund sind. Sie werden von der Natur erkannt und führen erst gar nicht zur Schwangerschaft oder enden früh in einer Fehlgeburt. Deshalb wird im Alter das Risiko einer Fehlgeburt immer höher: Ab dem 40. Lebensjahr hat eine Frau ein Fehlgeburtsrisiko von 40 Prozent.
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Wie sieht es beim Mann aus?
Das wurde in den vergangenen Jahren immer mehr untersucht und es stellt sich heraus, dass das Alter des Mannes doch erheblich entscheidend ist. Es wirkt sich zwar nicht unbedingt darauf aus, ob das Paar schwanger werden kann, sondern eher auf die Rate von Fehlgeburten.
Wann sollten sich Paare an Experten wenden?
Auch dabei spielt das Alter wieder eine Rolle. Wenn Sie unter 35 Jahre alt sind und nach einem Jahr trotz ungeschützten Geschlechtsverkehrs zum optimalen Zeitpunkt noch nicht schwanger geworden sind, sollten Sie sich an ein Kinderwunschzentrum wenden. Wenn Sie älter als 35 sind, können Sie sich auch bereits nach einem halben Jahr ungeschütztem Geschlechtsverkehr an uns wenden.
Wenn Sie nach einem Jahr ungeschützten Geschlechtsverkehr zum optimalen Zeitpunkt (der Eisprung der Frau) noch nicht schwanger geworden sind, sprechen Experten von ungewollter Kinderlosigkeit.
Kann Stress dazu führen, dass Frauen nicht schwanger werden?
Dieses Gespräch habe ich wirklich täglich. Immer wieder kommen Paare in die Praxis und erzählen mir: „Bei uns klappt es nicht, weil wir so viel Stress haben.“ Dabei haben Studien belegt, dass das Quatsch ist. Stress führt sicherlich nicht dazu, dass das Paar nicht schwanger wird. Früher – oder beispielsweise im Krieg – hatten Frauen einen ganz anderen Stress als wir heutzutage und sind trotzdem schwanger geworden.
Was man aber weiß, ist, dass Stress dazu führt, dass Paare weniger Geschlechtsverkehr haben. Früher hatten die Menschen einfach häufiger Sex. Das ist eigentlich der Hauptgrund, warum Paare bei Stress seltener schwanger werden.
Kinderlosen Paaren wird von Freunden und Bekannten häufig empfohlen, „sich einfach nur zu entspannen und dann klappt das schon.“ Ist da etwas dran?
Das stimmt nur bedingt. Auch hier liegt das Problem nicht am Druck oder dem Stress selbst, sondern eher an mangelndem Geschlechtsverkehr.

Wie würde so ein Diagnostikgespräch aussehen?
Man kann sich ganz unbefangen bei uns vorstellen, das benötigt auch keine Überweisung. Wichtig ist, dass das Paar zusammen zu uns kommt, der Kinderwunsch betrifft immer zwei. Wir haben immer wieder Frauen, die alleine kommen, da Männer sich nicht untersuchen lassen wollen. Wir behandeln aber keine Frau, ohne einmal die Spermien des Mannes untersucht zu haben.
Dann fangen wir ganz einfach an, indem wir von beiden das Blut abnehmen, die Hormone der Frau untersuchen und die Spermien des Mannes.
Was sind denn die häufigsten Ursachen für ungewollte Kinderlosigkeit?
Bei Frauen ist das definitiv ein hormonelles Problem, beispielsweise Zyklusstörungen. Bei Männern ist es vor allem die Einschränkung der Spermienqualität.
Gibt es noch weitere Punkte, die Frauen unbedingt wissen sollten?
Der wichtigste Punkt ist wirklich das Alter. Paare sollten sich frühzeitig mit ihrem Kinderwunsch beschäftigen. Den richtigen Zeitpunkt für Kinder gibt es wohl nie, es ist immer mit Stress und Aufwand verbunden. Doch sicherlich kann man so einen Stress besser mit Anfang 30 als mit Anfang 40 wegstecken.
Vielen Dank für das Interview, Frau Assmann.