Um Verwaltung, Politik und Presse einen besseren Eindruck von Problemstellen in und um die Innenstadt zu verschaffen, hatte der ADFC Delmenhorst zu einer „Fahrradverkehrspolitischen Radtour“ eingeladen. Ein Gefahrenpunkt wurde dabei gleich beseitigt.
Nur eine Sekunde früher und es wäre ein Unfall passiert: Als Enno Konukiewitz über den engen Fuß- und Radweg der Louisenstraße von der Post Richtung Bahnhof fuhr, ging kurz hinter ihm die Tür eines dort geparkten Autos auf. Ein Gespräch mit dem Fahrer des Wagens hatte die Beifahrerin derart abgelenkt, dass sie nicht auf die vorbeifahrende Radfahrergruppe geachtet hatte. Er habe eine Bekannte, die vor etwa einem halben Jahr Opfer eines sogenannten Dooring-Unfalls geworden sei, erzählte der SPD-Mann daraufhin. Diese leide immer noch an den Folgen.
Oberbürgermeisterin Petra Gerlach sagt kurzfristig ab
Genau für solche Problemestellen wollte der ADFC Delmenhorst die Vertreter aus Politik, Verwaltung und Presse auf seiner „Fahrradverkehrspolitischen Radtour“ in und um die Innenstadt sensibilisieren. Dass Konukiewitz der einzige Politiker war, der der Einladung folgte, fand der ADFC-Vorsitzende Gerd Gramberg, der Delmenhorst zu einer Fahrradstadt machen möchte, enttäuschend. Er könne verstehen, dass viele am Donnerstagnachmittag – die Tour ging von 15.30 bis 17.30 Uhr – keine Zeit haben, aber dann könne man ja wenigstens absagen. Schade fand er auch, dass Oberbürgermeisterin Petra Gerlach kurzfristig abgesagt hatte, obwohl der ADFC extra Rücksicht auf ihren Terminkalender genommen hatte. Dagegen freute er sich, dass mit Stadtbaurätin Bianca Urban, Maximilian Donaubauer und Moritz Niemann (Leiter Fachdienst Verkehr) einige andere Mitglieder der Verwaltung am Start waren.

Zu wenig Platz an Ampeln
Die erste Problemstelle ließ nach dem Losfahren vom Bismarckplatz auch nicht lange auf sich warten: So sei sehr wenig Platz auf dem Weg vor der Ampel hinterm Wasserturm, monierte Gramberg. Hier komme es nicht nur beim Warten und Anfahren zu Konflikten zwischen Radfahrern und Fußgängern, sondern auch beim Umspringen der Ampel, da die Fußgängerampel früher Rot anzeigt als die Fahrradampel. Auch die Vorlaufzeit der Fahrradampel, die für Autofahrer schwer zu sehen sei, sei zu kurz bemessen, findet der ADFC-Vorsitzende.

Zu wenig Platz an allen Straßenzügen, unterschiedlich lange Grünphasen für Fußgänger und Radfahrer und eine zu kurze Vorlaufzeit der Fahrradampel macht Gramberg nur wenige Meter weiter an der Kreuzung bei der Polizeiwache ebenfalls als Probleme aus. Außerdem fehlt ihm am Hans-Böckler-Platz die Kennzeichnung des Radweges. Dagegen sei die Fahrradampel auf der Parkhausseite überflüssig, weil nur Busse und Taxen aus der Straße Am Stadtgraben links abbiegen dürfen – was nur selten der Fall sei. Die Ampel könne besser woanders aufgestellt werden.

Mehrere Problemstellen rund um Feuerwache
Von dort ging es weiter Richtung Feuerwache, in dessen Umfeld der ADFC gleich mehrere Problemstellen ausmacht. So sei der Kreisverkehr, an dem sich Rudolf-Königer-Straße und Burggrafendamm treffen, für Autofahrer in puncto Radfahrer- und Fußgängerquerung teilweise schwer einsehbar.
Noch unübersichtlicher sei allerdings zum Teil die Verkehrsführung an der T-Kreuzung Rudolf-Königer-Straße/ Oldenburger Straße, an der es glücklicherweise noch keine schweren Unfälle gegeben habe, stellte Gramberg fest. Beispielweise müssten Radfahrer, die aus der Oldenbuger Straße aus Richtung Fußgängerzone kämen und in Richtung Rudolf-Königer Straße wollen, zunächst auf der falschen Seite über den Radweg an der Einmündung fahren, um auf die andere Straßenseite zu kommen. Daher plädiere der ADFC dafür, den Kreuzungsbereich neu zu ordnen und eine zusätzliche Ampel zu installieren, so der Vorsitzende.

Auch die Sperrung der Notausfahrt der Freiwilligen Feuerwehr auf die Oldenburger Straße monierte Gramberg: „Die Absperrung sollte vorübergehend sein, jetzt steht sie da schon seit neun Monaten.“ An der Stelle, aus der sehr selten Feuerwehrfahrzeuge kämen, müsse neu geplant und die Sperrung aufgehoben werden. Vielmehr sieht der ADFC-Vorsitzende aufgrund der dortigen Büsche die Autofahrer gefährdet, die stadteinwärts fahren und die Ausfahrt nicht einsehen können: „Für mich ist das eine verdrehte Welt.“
ADFC: Ludwig-Kaufmann-Straße zur Einbahnstraße machen
Der nächste Halt war die Kreuzung bei der Post, zu der es durch die Ludwig-Kaufmann-Straße ging. In dieser sollen Radfahrer auf der Straße fahren, allerdings fehlten hier Überleitungen vom Radweg und auf der rechten Seite Richtung Post Piktogramme, so Gramberg. Die auf der anderen seien zudem zu klein, zu weit auseinander und zum Teil kaum noch erkennbar. Das gelte auch für viele andere Stellen in Delmenhorst. Ein weiteres Problem sei, dass Autofahrer in der Straße die Abstandsregelungen und Tempo 30 nicht einhielten. Grambergs Idee zur Behebung: die Einrichtung einer Einbahnstraße.
Die Probleme wiederholten sich, der ADFC-Vorsitzende und sein Stellvertreter Burkhard Kühnel-Delventhal wurden aber nicht müde, darauf hinzuweisen: So sei die Kreuzung an der Post zu unübersichtlich und vor allem die Fuß- und Radwege aus Richtung Bahnhof viel zu eng. Daher schlägt der ADFC den Umbau in einen Kreisverkehr und die Umwidmung jeweils einer Spur der Wittekind- und der Louisenstraße in eine Fahrradspur vor.
Erstes Problem bereits beseitigt
Ein Problem an der Kreuzung behoben Gramberg und Fachdienstleiter Niemann spontan, indem sie ein Fuß- und Radwegschild, das wegen der „Wildfeuer-Baustelle“ auf der anderen Straßenseite aufgestellt worden war, an den Rand stellten. Auch das unvernünftige Positionieren von portablen Verkehrsschildern sei ein generelles Problem in Delmenhorst, sagte der ADFC-Vorsitzende.

Louisen- und Koppelstraße als Fahrradstraße mit Tempo 30?
Über die eingangs erwähnte, zugeparkte Louisenstraße und die Koppelstraße mit ihren laut ADFC zu engen Rad- und Fußwegen ging es weiter. Neben den öfter vor der Bäckerei auf dem Weg haltenden Autos, denen man mit der Änderung des dortigen eingeschränkten Halteverbotes begegnen könne, macht Gramberg die Verkehrsleitung an der Dauerbaustelle Koppelstraße 11 dort als Hauptproblem aus. Insgesamt könne man aus der Louisen- und der Koppelstraße eine Fahrradstraße mit Tempo 30 oder eine Spur nur für Radfahrer machen. Bis dahin könne wegen der Baustelle eine Umleitung für Radfahrer über die Willmsstraße eingerichtet werden, die wegen der vielen Schüler vom Gymnasium ebenfalls zur Fahrradstraße umfunktioniert werden sollte, schlug der ADFC-Vorsitzende vor. Er könne sich aber auch vorstellen, dass in diesem gesamten Bereich im Zuge der Planungen für das neue Bahnhofsumfeld etwas passiert.
Begrünte Bögen an Friedrich-Ebert-Allee als Problem
Als Nächstes stand die Kreuzung Friedrich-Ebert-Allee/Lange Straße auf dem Programm. Hier wüssten Fahrradfahrer, die aus Richtung der Fußgängerzone kommen, nicht, wie sie sich auf der anderen Seite verhalten sollen, sagte Kühnel-Delventhal. Über Strichmarkierungen auf der Langen Straße, die dort relativ eng sei, wüssten Autofahrer schon einmal, dass sie mittig fahren müssen. Ein Problem seien aber auch die begrünten Bögen, die die unüberichtliche Situation mit kreuzenden Fußgängern oder Radfahrern noch verschärfe: „Das sieht optisch zwar schön aus, aber verkehrstechnisch ist das eine 5 oder eine 6“, sagte der stellvertretende ADFC-Vorsitzende.

Warum soll „Bermuda-Dreieck“ Teil von Radschnellweg werden?
Das „Bermuda-Dreieck“ nennt der ADFC Delmenhorst die Kreuzung Nordenhamer Straße/Bremer Straße/Syker Straße und fragt daher, wie diese ein Teil des geplanten Fahrradschnellweges zwischen Ganderkesee und Bremen werden konnte. Schließlich seien die Wartezeiten an der Kreuzung, an der Autofahrer zudem uneingeschränkt Vorfahrt haben, sehr lang. Außerdem seien Rad- und Fußwege unter anderem wieder zu schmal. Hier kritisierte Gramberg, nicht früher beteiligt worden zu sein, wie beispielsweise der ÖPNV. Der ADFC habe deshalb eine Stellungnahme vorbereitet, die „in den nächsten Tagen rausgeht“. Hierzu sagte Stadtbaurätin Urban, dass sie sich auch gewünscht hätte, wenn der ADFC früher beteiligt worden wäre, aber auch mehrere Interessenlagen zu berücksichtigen seien. Bei der Machbarkeitsstudie werde die Verwaltung „genau hingucken“.

ADFC: Nordwollestraße für Durchgangsverkehr sperren
Für die „Fahrradautobahn“ geeignet hält der ADFC dagegen die Nordwollestraße – allerdings nur unter der Bedingung, dass diese für den Durchgangsverkehr gesperrt und zu einer Fahrradstraße mit Tempo 30 wird. Schließlich sei der Fuß- und Radweg viel zu eng. Anlieger des Nordwollegeländes und Busse des ÖPNV würden mit der Geschwindigkeitbegrenzung zudem kaum Zeit verlieren, weil Radfahrer auf der nur wenige 100 Meter langen Strecke unwesentlich langsamer fahren. Um Autos und Busse zu bremsen, könnten in der Mitte der relativ schmalen Straße zudem Poller installiert werden, schlägt Kühnel-Delventhal vor.
Weitere „Fahrradverkehrspolitische Radtouren“ angedacht
„Wir sind keine Meckerer, sondern wollen was verbessern“, sagte Gramberg, der während der Tour noch ein paar andere Problemstellen ansprach und die „sehr veraltete Radwegeinfrastruktur“ in Delmenhorst kritisierte. Der ADFC habe schon weitere „Fahrradverkehrspolitische Radtouren“ angedacht, die beispielsweise durch die einzelnen Stadtteile führen. Der Kontakt zur Verwaltung habe sich in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren verbessert und es werde auch schon etwas getan, wie beispielsweise an der Syker Straße, aber es sei immer noch viel Luft nach oben.
Er wisse, dass die Stadt finanziell klamm sei. Um dem selbstgegebenen Titel der Klimamusterstadt gerecht zu werden, könne der Weg zur Verkehrswende aber auch mit vielen kleinen Schritten begangen werden, die wenig Geld kosten, führte Gramberg weiter aus. Außerdem müsse es doch das Ziel sein, insbesondere von den immer schlechteren Bewertungen im Fahrradklimatest wegzukommen. Daher werde der ADFC in nächster Zeit mehrere Anträge an die Stadt stellen. Auch Kühnel-Delventhal verlor noch ein paar mahnende Worte: „Wir wollen doch alle eine lebenswerte Stadt und der Fahrradverkehr ist ein ganz wichtiger Aspekt davon.“