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Muras-Kolumne Entwicklung in der Champions League: Totengräber des Europapokals

Von Udo Muras | 27.11.2019, 13:30 Uhr

Die Champions-League wird als der wichtigste Vereinswettbewerb Europas bezeichnet. Doch leider zeichnet sich in den letzten Jahren ein spannungsloser Wettkampf ab, wie unser Kolumnist Udo Muras erklärt.

Für die Fans von Bayern München hat der November im Moment gar nicht mal so trübe Tage, vielmehr lacht ihnen das Herz als scheine von morgens bis abends die Frühlingssonne. Das Flickwerk des Aushilfstrainers kann sich ja nun wirklich sehen lassen, vier Siege mit 16:0 Toren. Keine Sorge, das wird nun trotzdem kein Bayern-Artikel, es gibt schon genug davon in dieser Welt.

Sehr wohl aber geht es mir um das Spiel der Bayern in Belgrad als Exempel für eine traurige Entwicklung im Fußball: da gewinnen sie also nach erdrückend dominanter Leistung beim serbischen Meister Roter Stern mit 6:0. Hatten wir nicht mal Respekt vor denen? 1991 gewann Belgrad ganz ohne Weltstars die Champions League, warf im Halbfinale die Bayern raus, auch weil sich Raimond Aumann einen Ball in letzter Minute in den eigenen Kasten faustete. Heute „sind wir glücklich, dabei sein zu dürfen“, gestand der deutsche Ex-Ex-Ex-Nationalspieler Marko Marin, der auch schon mal viel bessere Tage gesehen hat. Aber das nur am Rande.

Der Wandel in der Königsklasse

Ganz ehrlich, auch als Bayern-Fan kann ich mich über einen 6:0-Auswärtssieg in einem Europapokalspiel nicht wirklich freuen. Drochtersen/Assel hat da letztes Jahr im Pokal mehr Widerstand geleistet. Ist das noch Champions League oder schon Jahrmarkt? Hau den Lukas! Davor haben die Bayern bekanntlich bei Tottenham Hotspur mit 7:2 gewonnen und die spielen in der stärksten Liga der Welt, aber nur noch eine Nebenrolle. Doch in die Champions League kommen ja nicht nur Meister, das ist das eine Übel. Es hält schon länger an.

In seligen Guardiola-Zeiten gab es auch mal ein 7:1 bei AS Rom, einst ein Klub den kein deutscher Klub zugelost bekommen wollte. Allein schon weil er aus Italien kam. Wer da ein Tor schoss, konnte sich ein Denkmal bauen lassen. Wollen wir auch das 5:1 bei Arsenal London nicht unterschlagen. Selbst unter Klinsmann gab es mal ein 5:0 bei Sporting Lissabon. Alles unvorstellbare Ergebnisse zu Beckenbauers Zeiten, wo man in Lissabon 0:0 spielte und eben zuhause durch ein Müller-Tor gewann. Es war auch durchaus möglich, als deutscher Meister bei Ararat Eriwan oder Malmö FF zu verlieren. Verdammt lang her.

Das Geld dominiert

Ich habe mal die europäischen Tabellen dieses Wochenendes studiert und festgestellt: in keiner Liga hat eine Mannschaft höher als mit vier Toren Vorsprung gewonnen. Mag eine Ausnahme gewesen sein, aber wer regelmäßig Schützenfeste sehen will, der darf nur keinen Spieltag im angeblich wichtigsten Vereinswettbewerb des Kontinents verpassen. Da läuft was schief, müsste es denn nicht umgekehrt sein? Die Ursachen dafür sind systemimmanent, sind strukturell, sind so gewollt von den Schönen und Reichen. Ein System, das Siege noch mit Geld honoriert statt einfach mit dem Durchwinken in die nächste Runde, wie es in den ersten 40 Europacupjahren war, züchtet zwangsläufig Monster.

Es gibt Geld für jeden Punkt (900.000 Euro), natürlich auch fürs Weiterkommen. Wer da zweimal gewinnt, kann schon locker den Etat eines Drittligisten finanzieren und wer einigermaßen wirtschaften kann oder gute Beziehungen zur Uefa und den staatlichen Finanzbehörden hat, wird bei diesem Ausschüttungssystem von Jahr zu Jahr reicher. Somit vergrößert sich die Distanz der Stammgäste der Königsklasse zu den Belgrads dieser Welt, die ja schon glücklich sind, wenn sie mal mitspielen dürfen.

Ohne Spannung und mit Reservisten in die K.O.-Phase

Wen bitte interessiert Spannung? Die gibt´s frühestens ab dem Viertelfinale und auch da ging in den letzten acht Jahren nur ein Spiel in die Verlängerung – Real Madrid gegen Bayern München anno 2017. Dass diese beiden bald wieder aufeinander treffen werden, ist keine allzu gewagte Prognose. Falls nicht, dann kommt eben Barca oder ManCity. Einen Überraschungssieger lässt dieses System schon lange nicht mehr zu und dann verwundert es auch keinen, wenn die Superreichen über eine Super League nachdenken, die als closed shop firmieren und mit immer denselben Teams spielen soll. Im Ligamodus, aber ohne Absteiger.

Gibt ziemlich viele Spiele und wenig Spannung, aber unglaubliche Vermarktungsmöglichkeiten. Ihr Totengräber des Europapokals, die ihr jetzt ja noch die 2. Liga der Europa League erfunden habt, gebt uns die Faszination unvergesslicher Flutlichtabende wieder! Dramen in Rückspielen, die in die Verlängerung müssen oder gar am Kreidepunkt entschieden werden müssen. Dreht den Geldhahn zu, sorgt wieder für einen Wettbewerb. Sonst kommt noch der Tag, an dem Trainer ihre Spieler für die Liga schonen und in der Champion League die Reserve auflaufen lassen.

Er kommt sogar gewiss schon am 11. Dezember, wenn in München das vermeintliche Highlightspiel der Gruppenphase ansteht: Bayern gegen Mourinhos Tottenham. Beide sind schon durch, es geht nicht mal um den Gruppensieg und wir werden – ich nehme jede Wette an – endlich mal Mikael Cuisance und Fiete Arp sehen können. Auch in den meisten anderen Gruppen haben wir dann schon Entscheidungen und so verkommt die Königsklasse zur Farce, für die der hiesige Zuschauer auch noch Zusatzabos buchen muss. Ich verstumme jetzt, die Zeit kann sowieso keiner zurückdrehen.

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